Wanderung zum Sonnenaufgang
Eine alljährliche Besonderheit ist die Wanderung zum Sonnenaufgang. So fällt es nicht ganz leicht, wenn vor fünf Uhr der Wecker zum Bett verlassen klingelt, um rechtzeitig um halb sechs am Treffpunkt Sportgelände zu erscheinen. In einer Wagenkolonne setzen sich die 20 Frühaufsteher zum Ausgangspunkt hinauf zu dem 200-Seelen großen Rhöndörfchen Birx in Bewegung.
Eine besondere Ruhe liegt über dem Ort, außer einem Menschen ist niemand von den Bewohnern zu erblicken, der sich bestimmt darüber wundert, was wir in der Frühe hier schon wollen. Unser Weg führt an schmucken Häusern, dem kleinen Kirchlein und dem Friedhof am Ortsrand vorbei. Es ist ein schmuckes Fleckchen Erde geworden, welches vor einem Vierteljahrhundert sich noch ganz anders darstellte. Auf der Höhe angekommen – wir befinden uns auf 750 m, liegen auf den Wiesen die Heumahden, deren besonderer Duft wir verspüren. Auch die Rhön als das „Land der offen Fernen“ trifft vollends zu. Der Blick geht im Süden und Osten nach Bayern, im Westen in unser Hessenland mit der Wasserkuppe, der Milseburg und den davor liegenden Dörfern.
Hier wird man etwas nachdenklich: was mögen die „eingesperrten“ Birxbewohner zur DDR-Zeit gefühlt haben, wenn sie rüber gen Westen schauten – es war für sie so nah und doch so fern. Auf dem Wanderweg Nr. 1 erreichen wir einen besonderen Erinnerungspunkt. Es ist der Gerstenstein, der deutsch-deutsche Geschichte schrieb. Ein Grenzzwischenfall ging hier 1962 in die Geschichte unseres geteilten Vaterlandes ein, der hier einmal wieder gegeben werden soll. „Der 20 Jahre alte Offiziersanwärter Hilpert Spohr aus Heilbronn hatte zusammen mit 3 Freunden einen Ausflug zur innerdeutschen Grenze unternommen und dabei den 3 m hohen Gerstenstein auf dem Gebiet der DDR trotz Warnschilder erklettert. Postenführer Lothar Kießling sah die jungen Männer auf dem Felsen und entschloss sich der „Grenzprovokation“ ein Ende zu bereiten. Er soll nach einem Zuruf und Abgabe eines Warnschusses aus einer Entfernung von 90 m mit dem Maschinengewehr auf die jungen Männer geschossen und dabei Hilpert schwer verletzt haben. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde ein 6 m langes Transparent aufgestellt. Auf ostdeutscher Seite wurde eine Gegentafel errichtet, auf der Hilpert Spohr als Provokateur bezeichnet wurde. Nach der Wende wurde der Fall noch einmal vor Gericht aufgerollt und dabei festgestellt, dass sich dem Warnruf und -schuss keine Regung der Zugerufenen zeigte und durch Kiesling deshalb auf Spohr geschossen wurde. Beide haben sich danach ausgesprochen und sich versöhnend die Hand gereicht.“ Quelle: Fuldaer Zeitung. Auf dem Gelände befindet sich heute eine sog. Sprechanlage, mit der man 2 Berichte über Begebenheiten in der DDR hören kann sowie eine Mahnglocke.
Unsere Wanderung führt anschließend auf dem ehemaligen Kolonnenweg bis zur Straße Hilders-Frankenheim, die wir eine Stück nahmen. Allmählich wird Maschinengetöse vernehmbar, das aus dem nahelegen Steinbruch „Billstein“ der Firma FCN dröhnt. Auf der Aussichtsplattform führt uns der Blick in die mächtige Tiefe des Bruches, auf dessen Sohle schweres Gerät sich im Einsatz befindet. Nach einer Strecke von ca. 8 km erreichen wir unseren Ausgangspunkt, den Flechsenberger Hof in Birx. Hier wartet ein reich gedeckter Frühstückstisch auf die hungrig gewordenen Wanderer. Als Fazit lässt sich eindeutig feststellen, das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Ein herzliches Dankeschön gilt Emmi und Othmar Trapp für den Wandervorschlag und die kurzweilige Begleitung